Zwanzig Pünktliche trafen sich um halb Acht im Hauptbahnhof, aber ein ganz Pünktlicher erschien um 7h49 nach unbeschädigt überstandenem Betriebsausflug direkt am Gleis 1 zur Abfahrt des ICE78 nach Hamburg-Altona. Sechs Stunden und eine Minute betrug die Fahrzeit in den hohen Norden, die manch einer trotz Platzreservierung bequem im ICE-Bordrestaurant überbrückte - nicht ganz ohne sichtbare Folgen, jedoch ohne jegliches Flüssigkeitsdefizit in der staubtrockenen Luft des Zugabteils.
Hightech-Fan Brandy, Ersatzreisender für Markus, gab uns mit seinem Notebook einen tiefen Einblick in die mobile Internetkommunikation eines männlichen Bahnfahrers. An einem praktischen Beispiel stellte er uns die tagesaktuellen Mitarbeiterinnen des neuesten Freiburger Edelbordells sehr anschaulich dar. In Hamburg-Altona ange-kommen, zählten wir nur noch zwanzig Reisende, normaler Schwund, aber einen gestandenen Abteilungsleiter verliert man nicht alle Tage. Das Zugpersonal kontrollierte gründlich den ICE und meldete uns, dass kein Reisender mehr im Zug ist, auch nicht im Bordrestaurant. Mit dem Gepäck der gesamten Reisegruppe checkten wir im nahegelegenen InterCityHotel Hamburg-Altona ein, jedoch war die Zimmervergabe mit dem unfähigen Empfangschef, ein ungewisser Herr Becker, alles andere als ein Kinderspiel. Nach heftigem Wortwechsel erhielten wir schlussendlich die Zimmerschlüssel samt der Fahrkarten für den Öffentlichen Nahverkehr für unseren Hamburgaufenthalt. Stolle belegte sofort das Bett des ersten aufgeschlossenen Zimmers für eine spontane horizontale Auszeit.Sein Ausflugspflegevater Harry wies ihm noch im Laufe des nächsten Tages sein richtiges Schlafgemach zu. Wie von Geisterhand geführt, fand der verlorene Marco wieder den Anschluss zu uns. Sein Appetit war dermaßen überwältigend, so dass er im Hamburger Hauptbahnhof seinen Hunger stillen musste. Wie ein ICE von hinten aussieht, konnte er danach genauestens beschreiben.
Um vier Uhr nachmittags pilgerten wir Richtung St.Michaelis Kirche, um den Panoramablick über die Hansestadt in 82 Metern Höhe zu genießen. Als ortskundiger Reiseleiter lotste uns der St.Paulianer Gänse geradewegs zum Michel. In dieser Kirche finden mehr als 2500 Menschen Platz; sie hat vier Orgeln, zwei Steinway Orgeln, Marcussen Orgel und in der Krypta die Felix-Mendelsohn-Bartholdy Orgel. Weiter ziert sie eine riesige Turmuhr, wo der große Zeiger über fünf Meter misst - genug der Kultur! Nach dem beschützenden Segen von oben, zog es uns in die Niederungen des wirklichen Lebens: zur Reeperbahn! In der tollen Eckkneipe Käpt´n Brass mit super netten Tresenmädels hatten wir einen fantastischen Ausblick auf aus umliegende Geschehen der Nacht. Diese kleine Spelunke im Herzen St.Paulis ist einfach eine Kneipe zum Party machen. Eines dieser netten Tressenmädels führte uns in Live-Musikkneipen auf dem Kiez. Zu angemessener Zeit am Samstagmorgen machten wir uns auf zur Brücke 4 auf den Landungsbrücken.
Mit einem gelben Doppeldeckerbus starteten wir, es war bereits zwölf Uhr, unvollständig zur fast zweistündigen Stadtrundfahrt. Auf weniger als der halben Strecke, in der Nähe des Hauptbahnhofs, stiegen nochmals drei Rhodianer zu, die den Bus mit dem Taxi verfolgten und einholten. Der Stadtführer, ein Unikum, erzählte viele urige Hamburger Geschichten und entpuppte sich als ein begeisteter HSV-Fan. Sehr genau beschrieb er das Mannschaftshotel des VfL Wolfsburg und deren Morgenpaziergang mit Felix Magath - spazieren und Magath passt irgendwie nicht zusammen. Lange Staus umfuhren wir aufgrund des ortskundigen Urhamburgers, bis wir wieder an der Brücke 4 ankamen. Mit einer Barkasse, auch hierfür galt unser Nahverkehrsticket, tuckerten wir durch den Hafen, vorbei an riesigen Schiffen und Lagerhäusern. Um fünf Uhr trafen wir uns zum Abendessen im Panthera Rodizio. Dieses Esslokal liegt in Hamburgs Portugiesenviertel und bietet brasilianische Spezialitäten, auch solche auf zwei schlanken Beinen - ein oder zwei Hingucker oder auch mehr! Hungrig verließ keiner von uns dieses trendige Lokal, in dem man ohne Vorbestellung keinen Platz bekommt. Ein Anstandsbesuch bei Käpt`n Brass Mädels mit einem Flens in der Schnappverschlussflasche eröffnete unsere Saturday-Night-Kieztour. Hängen geblieben waren einige Rhodianer im Hotel Austria mit einer urigen Kneipe in der Talstraße, die die älteste Theke St.Paulis schmückt. Dieser alte Tresen ist stolze 134 Jahre alt und wellig wie der Bodensee bei Orkan.
Udos unentdecktes Talent als DJ animierte alle Gäste zum Schwofen. Zu Joe Cockers „Leave Your Head On“ gab es eine einmalige Solonummer unseres Mannheimers. Seine unterkörperbetonte Tanzeinlage begeisterte das gesamte Publikum und ließ die kleine Kneipe überquellen. Auf dem Holztisch tanzend, berauschte er gekonnt die anwesenden Damen, die voller Inbrunst fanatischen Beifall spendeten. DJ Udo, ein Meister seines Fachs, spielte einen Kulthit nach dem anderen und heizte damit die ausgelassene Stimmung kräftig auf.
Sonntag war Spieltag - nicht unser, sondern der des FC St.Pauli. Rechtzeitig vor Spielbeginn machten wir einen Zwischenstopp auf der Reeperbahn, um uns mit einem Bier auf das Zweitligaspiel einzustimmen. Zu unserer großen Überraschung waren unsere Stehplatztickets zu Sitzplätzen aufgewertet worden. Eine einmalige Atmosphäre erwartete uns in dieser angenehm verrückten Fanumgebung. ACDC Hells Bells als Einlaufmusik ließ unser Fußballherz ungewollt höher und höher schlagen. Das Spiel war aufgrund des unterlegenen FSV Frankfurt mittelmäßig bis schwach - die Atmosphäre mit Fangesängen und einer pfiffigen weiblichen Stadionsprecherin aber einzigartig beeindruckend. Nach der Zweitligabegegnung kehrten wir zurück ins Hotel, um uns mit dem Gepäck zum Hamburger Hauptbahnhof aufzumachen. Dort angekommen, nutzten wir die halbstündige Wartezeit auf unsere Rückfahrt mit einem leckeren Imbiss bei den Markthallen ähnlichen Ständen, wo wir noch das verlorene Spiel der Bayern in Hannover sehen konnten. In Karlsruhe mussten wir noch einmal umsteigen. Für eine kleine Rhodianergruppe stellte dies eine mitternächtliche Sprintwertung dar, denn im Bistro stehend, wähnten sich diese Helden in Mannheim. Kurz nach Mitternacht erreichten wir vollzählig unsere Heimat. albö
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